Auf den Spuren von Tram und Tunnel: Der Bahnknoten Palma

Die Mallorquiner nennen die Hauptstadt der Insel einfach „Ciutat“, die Stadt. Dort, wo heute einer der modernsten und imposantesten Flughäfen Europas jährlich Millionen Touristen empfängt, gründeten die Römer – zumindest einer von zwei Legenden zufolge – „Palma“. Die andere Version spricht von einer Siedlung in der Nähe von Campos, die unter diesem Namen entstand.

Palma mit seinen 320.000 Einwohnern ist in jedem Fall Insel-Metropole, kulturelles Herz und Mittelpunkt der Infrastruktur. Hier sind die Gegensätze am größten: Gigantische Moderne, schmucklose Zweckbauten in den Vor- und Industriestädten, architektonische Meisterwerke im alten Stadtkern. Wer auf Mallorca war, aber Palma nicht erlebt hat, kennt Mallorca nicht wirklich.

 Das Verkehrschaos ist groß: Straßenbahnen gibt es schon lange nicht mehr, dafür zigtausende von Autos, mit denen sich Einheimische wie Touristen durch die engen Straßen quälen. Insbesondere im Sommer sollte man es tunlichst vermeiden, sich in die Blechlawinen einzugruppieren – zu Fuß, mit Bus oder Bahn ist man ähnlich schnell, zudem gibt’s weder Parkplatzprobleme noch Schrammen.

Wer Palma auf eigene Faust erkunden will, dem leistet der Stadtplan der Tourismusinformation Hilfe. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten werden vorgestellt; dennoch sollte man seinen Rundgang durch Palma thematisch aufteilen, wird man sich andernfalls schnell in der Vielzahl der Eindrücke und sehenswerten Bauwerke verlieren.

Palmas erste „U-Bahn“

In der Unterwelt der Ciutat, wie die Mallorquiner ihre Hauptstadt nennen, gibt es  Interessantes zu entdecken: zum Beispiel die Spuren einer unterirdischen Bahnstrecke im dritten Geschoss der Parkgarage unter der Markthalle an der Plaça Olivar (in Form zweier zugemauerter Tore). Ähnliches zeigt sich auch im Parkhaus unter der zentralen Plaça Major in der vierten unterirdischen Etage. Selbst die beiden Hauptportale dieser am 5. Februar 1931 eröffneten „U-Bahn“ sind noch zu sehen: Das eine befindet sich in der alten Hafenmauer östlich der Kathedrale La Seu (direkt vor dem großen Teich des Parc de la Mar, der in der Zwischenzeit davor angelegt wurde) – der barock anmutende Torbogen birgt die schräg von rechts auslaufende, aber heute zugemauerte Tunnelöffnung und auf der linken Seite den Ausgang einer Fußgängerunterführung. Der andere Schlund klaffte unterhalb des Carrer Marquès südöstlich des Bahnhofs der Strecke Palma – Inca/Sa Pobla: Seine erst später angelegte, schräg abwärts führende Zufahrt war lange Zeit verwachsen und mit Schutt bedeckt, wurde aber im Zuge der Neugestaltung des nahen Busbahnhofs mit neuen Seitenmauern versehen und asphaltiert. 36 Jahre lang rollte der Güterverkehr auf diesem 2,1 Kilometer langen Schienenweg unter dem Stadtzentrum durch zum Hafen.

Sein Vorgänger geht auf das Jahr 1874 zurück: Der damalige Bürgermeister der Inselhauptstadt, Eusebi Estada, hatte den Bau der ersten Bahnlinie quer durch die Stadt durchgesetzt. Die 3,4 Kilometer lange Strecke folgte dabei zwei historisch vorgegebenen Routen: dem Ring jener breiten Straßen, die entlang der 1904 abgerissenen Stadtmauer entstanden, und dem Band der heutigen Flaniermeilen, die man im einstigen Bereich des Torrent de sa Riera anlegte.

Ein Spaziergang entlang der verschwundenen Bahnlinie ist auch heute noch sehr lohnend: Der Schienenstrang begann im ­Bereich des heutigen Bahnhofsgeländes, das, von Hochhäusern überragt, mitten in Mallorcas Metropole liegt, sich zur Zeit der Eisenbahnpioniere jedoch am Stadtrand befand. Schräg gegenüber der Plaça d’Espanya beschrieb die Bahntrasse eine scharfe Rechts­kurve und folgte dann dem geschwungenen Lauf des breiten Straßenrings, auf dem nun die Verkehrslawine rund um die Altstadt tobt (Avinguda Joan March, Avinguda Comte de Sallent, Avinguda d’Alemanya). Vor dem heutigen Institut ­Ramón Llull bog sie links ein und führte zum Passeig de la Rambla, wo noble Schaufenster und viele Blumenstände von prächtigen Platanen beschatten werden. Vor der Treppe zur Plaça Major und dem Teatre Principal ging es nach rechts, vorbei an der bekannten Bäckerei „Forn des Teatre“ und dem prächtig renovierten Jugendstil-Schmuckstück des einstigen Gran Hotels Weyler (Fundació La Caixa), das noch an die Anfänge des (Qualitäts-)Tourismus erinnert. Über die Plaça del Mercat und den Carrer Unió gelangt man zur heutigen Plaça Rei Joan Carles I., auf dem ein orgineller Brunnen mit vier steinernen Schildkröten plätschert. Dort folgte eine scharfe Biegung nach links, nach der die Schienen über den ebenfalls begrünten Passeig des Born zur Plaça de la Reina führte (hier mündete von links – aus dem Carrer Conquistador – eine Straßenbahnlinie vom Rathaus her ein). Schließlich zogen die Schienen über die Avinguda Antonio Maura zur großen Hafenmole hinaus, vorbei an der grünen Oase der Jardins de s’Hort del Rei (Gärten des Königs) unter dem ursprünglich arabischen Almudaina-Palast.

Der südwestliche Hafenbereich von Palma, Porto Pí, war übrigens auch einmal mit einem Schienenweg erschlossen: Schon um 1890 verband ihn eine Industriebahn mit den großen Steinbrüchen oberhalb von Gènova, wobei sie den bewaldeten Berg, auf dem das Castell de Bellver thront, nördlich über Son Dureta umrundete. Ihre Trasse besteht noch abschnittsweise, und auch einzelne Gebäude- und Brückenreste sind noch zu finden. Beim Rückweg könnten Sie im Gewirr der Innenstadtstraßen dem – ungefähren – Verlauf des Eisenbahntunnels folgen. Den besten und schönsten  Ausgangspunkt bildet die ab 1230 erbaute Kathedrale von Palma, die ohnehin bei jedem Stadtbummel auf dem Programm stehen sollte: Die Lichtverhältnisse in ihrem Inneren wechseln, nicht zuletzt wegen ihrer berühmten, fast 100 Quadratmeter großen Fensterrosette, von Stunde zu Stunde. Auf der Südseite des gewaltigen gotischen Gotteshauses, direkt vor der alten Stadtmauer, steuert man dann auf dem Carrer Mirador das Museo Diocesano an. Davor wendet man sich nach links und geht auf der rechten der beiden Gassen (Carrer Palau) stadteinwärts. Wenn Sie dann rechts auf den Carrer Sant Pere Nolasc einschwenken, erreichen Sie kurz darauf jenen Bereich, unter dem sich der Tunnel befand. Hier biegen Sie links in den Carrer Morey ab: Er führt zur Kirche Santa Eulalia, einer weiteren sakralen Sehenswürdigkeit (davor lohnt sich links der kurze Abstecher zu einem der letzten arabischen Baurelikte, einem später überbauten Torbogen). Rechts an der Kirche vorbei leitet Sie der Carrer Sant Crist weiter, dann geht es auf dem Carrer Carnisseria zur Plaça Coll, auf der ab 1890 die ersten, von insgesamt 28 geduldigen Maultieren gezogenen Straßenbahnen losfuhren: Die Sociedad Mallorquina de Tranvías bediente schon da­mals Strecken bis in die südwestlichen Stadtteile Santa Catalina und El Terreno. Von­ ihrem oberen Bereich geht es rechts zum Carrer Sindicat: Wir verlassen die quirligste Einkaufsstraße der Stadt jedoch schon nach wenigen Schritten, um links durch den ­Torbogen zur Plaça Major zu gehen. Durch eines der beiden Tore in der rechten Fassade gelangt man zum Carrer Rubí, dem man nach links folgt, wo er sich nach einer Biegung im Carrer Sant Miquel fortsetzt. Dieser führt – vorbei am Kunstmuseum Fundació March – zur Kirche Sant Miquel, bei der man die Plaça Mare de Deu de la Salut nach rechts überquert. Schwenken Sie dann links in den Carrer Josep Tous i Ferrer ein und biegen Sie kurz danach links zur Markthalle an der Plaça de l’Olivar ab. Vorbei am Convent Caputxins erreicht man schließlich wieder die Plaça d’Espanya mit dem Reiterstandbild König Jaumes I – jenseits der Avingudas landen Sie wieder bei den beiden Bahnhöfen.
 

Die Straßenbahn


1916 nahm die dampfbetriebene Straßenbahn von Palma ihren Rauch prustenden Betrieb auf. Um 1929 wurden die Linien elektrifiziert; die Feinmechanik dafür kam aus dem Hause Siemens. Mitte der 1950er-Jahre hatten die städtischen Gleise schon den nördlichen Vorort Establiments erreicht; westwärts zogen sie bis Bendinat und nach Osten zum Strand von S’Arenal. Bis zu 35 zweiachsige Zweirichtungstriebwagen standen damals im Einsatz.

Doch schon in den 1960er-Jahren, parallel zur Entwicklung des Massentourismus, kam das Aus: Die Schienenfahrzeuge verschwanden rasch aus dem Stadtbild und machten Autobussen Platz. Auch die Bahnlinie nach Santanyí musste dem vermeintlichen Fortschritt 1964 weichen – nicht zuletzt auch deshalb, weil man ihre Trasse der Vergrößerung des Flughafens opferte.

Doch es könnte ein Comeback geben: Um Palmas ausufernde Verkehrsprobleme mit der höchsten Pkw-Dichte Spaniens! in den Griff zu bekommen, sehen Planungen Jahrtausendwende eine neue ringförmige Innenstadt-Straßenbahn vor. Im Zuge der Verschönerung und Neugestaltung der Strandbereiche soll zudem eine Metrostrecke nach S‘Arenal gebaut werden – und gleich auch eine weitere Bahnlinie über Santa Ponça bis Port d’Andratx, womit die Tourismus-Hochburgen rund um Palma miteinander verbunden wären (letztere hatte man bereits 1918 angedacht, allerdings über Gènova, Calvià und Es Capdellà – zwei Tunnels inklusive). Auch von einer neuen Straßenbahn zwischen S’Arenal, Can Pastilla und dem Flughafen war schon die Rede. Dass aus diesen Plänen angesichts der Wirtschaftskrise Spaniens bald etwas wird, gilt aber als ausgesprochen unwahrscheinlich.

 

Die Bahnhöfe


Ausgangs- wie Zielpunkt für jeden Eisenbahn-Interessierten wird in jedem Fall die Plaça d’Espanya sein, an der neben dem Busbahnhof die beiden benachbarten Bahnhöfe der Stadt liegen: Durch eine Straße getrennt, endet nordwestlich am alten Bahnhofsgebäude die Strecke von Sóller. Da diese noch ihre alte Spurweite von 914 mm aufweist, besteht keinerlei Gleisanschluss mehr an die gegenüberliegende Strecke Palma – Inca, die im neuen unterirdischen Bahnhof gegenüber unterhalb der alten Empfangsgebäude endet. So nah sich die Bahnhöfe sind, so unterschiedlich ihre Bahnen: Die eine bietet Eisenbahn-Nostalgie der 30-er Jahre mit den rotbraunen Bummelzügen ins nördlich gelegene Sóller. Die andere gleicht eher einem modernen S-Bahn-Betrieb mit hohen Bahnsteigen und dem Verzicht auf fast alle Reliquien der guten alten Eisenbahn-Zeit. Diese fielen Ende der 90er Jahre dem Rückbau des alten Bahnhofs mit seinen umfangreichen Gleisanlagen zum Opfer.

(Texte: Wolfgang Heitzmann, Klaus-J. Vetter)

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